Teleporter-Gedankenexpermiente, Bewusstsein und die Integrierte-Informations-Theorie

Die Suche nach dem Bewusstsein könnte als der heilige Gral der Philosophie betrachtet werden. Konkret ist das Thema der subjektive Aspekt des Bewusstseins, die ” Qualia “, nicht zu verwechseln mit dem Aufmerksamkeit. Für einige bleibt die Frage für immer außerhalb des Bereichs der wissenschaftlichen Methodik, weil diese von Natur aus “objektiv” ist und sich nicht auf die subjektive Erfahrung des Einzelnen anwenden lässt. Für andere mag es vorerst außerhalb des Bereichs der klassischen Wissenschaft liegen, aber das könnte sich mit neuen Erkenntnissen in den Neurowissenschaften und vielleicht der Physik ändern. Dann gibt es eine Denkrichtung, die irgendwie versucht, zu erklären, dass es sogar überhaupt kein Problem gibt. Bewusstsein wird nur als Aufmerksamkeit und “internes Modell” beschrieben. Um den Unterschied zu erklären und unmissverständlich zu zeigen, dass dieser Ansatz unzureichend ist, genügt es, den Unterschied zwischen simuliertem und “echtem” Bewusstsein zu bedenken. Ein Computeralgorithmus oder “chinesischer Raum” kann die Reaktion eines bewussten Wesens simulieren, kann dies aber auf eine Weise tun, die keine “qualia” oder gar kein “internes Modell” hat. Eine gewisse Einsicht, was Bewusstsein “tatsächlich” ist, lässt sich aus dem “Teleporter-Gedankenexperiment” gewinnen. Eine Nebenbemerkung, bevor es weitergeht: Da dieses Thema kein politisches Thema ist, ist Wikipedia hier sehr hilfreich. Alle Begriffe in Anführungszeichen werden in dem Sinne verwendet, wie sie dort definiert sind, sofern nicht anders angegeben.

Die Frage ist, was passiert, wenn man teleportiert wird. Das Grundkonzept eines Teleporters stammt aus Science-Fiction-Filmen. Eine Person betritt die Position A, verschwindet und taucht an der Position B wieder auf. In einigen Szenarien kann ein solcher Teleporter ein Duplikat erzeugen, z.B. wird eine Kopie an B erstellt, aber auch an einer anderen Position C, was sofort die Frage aufwirft: Wer ist der “Echte”? Wenn Sie es sind, der teleportiert wurde, wo sind Sie dann? Selbst im Fall ohne Duplikat könnte man sich unwohl fühlen, wenn man wirklich in eine solche Maschine tritt und den Verdacht hat, dass man eigentlich getötet, und durch eine Kopie ersetzt werden würde. Was vor sich geht, hängt entscheidend vom eigentlichen Mechanismus des Teleporters ab. Gegenwärtig ist keine solche Teleportation möglich, aber es gibt einige relevante Szenarien, die mit den bekannten Gesetzen der Physik übereinstimmen und Aufschluss auf diese Fragen geben können.

Erstens Physik: Im Zentrum der Quantenmechanik steht ein Konzept, das Unschärferprinzip, welches das Verdoppelungs-Paradoxon, zu vermeiden scheint. Man kann nicht jede Eigenschaft von Teilchen gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit messen. Die bekanntesten, so genannten “nicht-kommutierender Observablen” sind Momentum und Position. Ein verwandtes Konzept in der Quantenmechanik hat sogar den Namen “no-cloning theorem”. Auf der anderen Seite gibt es auch ein Thema namens “Quantenteleportation”. Um die wesentlichen Einschränkungen der modernen Physik in einer einfachen Form zusammenzufassen:

  • Man kann keine perfekten Kopien machen.
  • Was ein Teilchen von einem anderen seiner Art unterscheidet, ist seine Quanteninformation – und sonst nichts. Ansonst sind Elektronen, Quarks, Photonen usw. überall und zu jeder Zeit im Universum identisch.
  • Man kann die komplette Quanteninformation über ein Teilchen auf ein anderes übertragen, zum Preis, dass man dadurch das ursprüngliche Teilchen stört und Informationen darüber verliert. Das Neue wird zum Alten, nur an einem anderen Ort.

Wenn man also diese Art der Quantenteleportation auf jedes Teilchen von lhnen hypothetisch durchführen könnte, gäbe es kein Problem mit dem Mess- und Unsicherheitsprinzip. Es wäre auch keine Frage, wer das wahre Selbst ist, denn Duplikate sind unmöglich. Sie wurden nur auf eine seltsame Weise bewegt. Vom konzeptionellen Standpunkt aus, wo sich Ihr Bewusstsein befindet, ist diese Art des Transports nicht mysteriöser als die Fahrt mit dem Zug.

Zweitens: Neurobiologie. Es gibt keine umfassende wissenschaftliche Theorie des Bewusstseins in diesem Bereich, sie beschränkt sich derzeit auf das Studium von “neuronalen Korrelaten des Bewusstseins”. Deshalb müssen wir darauf achten, nicht zu viele Annahmen über die Beziehung zwischen Gehirn und Geist zu treffen, aber aus biologischer Sicht ist es vielleicht nicht notwendig, eine perfekte Kopie von einem selbst zu machen, um etwas als Duplikat zu betrachten. Der Körper und das Gehirn verändern sich ständig, Zellen werden ersetzt, Zellen werden repariert. Wenn Sie nach einer langen Nacht aufwachen, hat sich Ihr Gehirn auf mikroskopischer Ebene stark verändert, aber Sie fühlen, dass Sie noch Sie selbst sind, dass die Zeit während des Schlafes vergangen ist und dass Sie sich auf einer kontinuierlichen Zeitachse befinden.

Betrachten Sie nun dieses Teleportations-Szenario: Es werden die Hälfte der Partikel in Ihrem Körper mittels Quanten-Teleportation von A nach Ort B teleportiert, die andere Hälfte von A nach C.
Vor Beginn werden alle Partikel mit einer Genauigkeit gemessen, die es erlaubt, eine ungefähre Kopie zu erstellen. Die Anzahl und Anordnung von Nervenzellen und Synapsen sollte erhalten bleiben, und der Unterschied zwischen Klon und Original sollte geringer sein als vor und nach einer durchschlafenen Nacht. Konzeptionell konnte die Genauigkeit der Messung recht weit getrieben werden, ohne ein signifikantes Messproblem zu verursachen. So müsste beispielsweise nur ein kleiner Teil aller Natriumionen in einer Nervenzelle gemessen werden, um den elektrischen Gesamtzustand abzuleiten. Diese Informationen über den Zustand unmittelbar vor der Quantenteleportation werden dann verwendet, um die fehlende andere Hälfte zu ersetzen und wiederherzustellen. Dann können wir noch einmal fragen, welcher von den beiden werden Sie sein? Wo sind Sie, bei B oder C? Oder sind Sie gestorben und es wurden zwei Klone erschaffen? Weichen Sie der Frage nicht aus, indem Sie sich in die Rolle eines Beobachters begeben, es gibt offensichtlich keinen Konflikt für eine dritte Person, versetzen Sie sich in die Lage des Probanten. Vergleiche es mit einer Zugfahrt in der Nacht: Wenn Sie mit dieser “Halb-Kopie-Halb-Verschiebungs” Teleportation bei B oder C ankommen, werden Sie und Ihr Gehirn weniger unterschiedlich sein als bei der Ankunft mit dem Schlafwagen. Es scheint nur eine Antwort zu geben, die dieses Paradoxon auflöst, und sie ist ebenso erstaunlich wie verstörend. Das philosophische Konzept, in dem die Antwort zu finden ist, heißt “Informationsrealismus”.

Die umfassendste Beschreibung des “Informationsrealismus”, ohne diese Bezeichnung zu verwenden, findet sich im Buch “Unser mathematisches Universum” des Physikers Max Tegmark. Er behauptet: Unsere externe physikalische Realität ist eine mathematische Struktur. Das physikalische Universum wird nicht nur durch die Mathematik beschrieben, sondern ist Mathematik. Es ist eine sehr spezifische mathematische Struktur, eine von vielen anderen möglichen Universen, die in diesem Konzept ebenso wirklich, nur kausal getrennt sind. Das bedeutet natürlich, dass die Mathematik eine ” externe Realität” ist. Um diese Idee mit einem Beispiel zu veranschaulichen: 2+2=4 ist universell und immer wahr, egal ob es zählbare, physikalische Objekte gibt, egal welches Symbol man verwenden würde und auch unabhängig von einer bewussten Entität, die die Berechnung durchführt. Mathematik als eigenständiges Phänomen ist eine sehr alte Sichtweise, die auf Platon zurückgeht. Die viel berühmtere philosophische Klassifikation ist seit langem der “Dualismus”, d.h. die Vorstellung, dass es zwei “Welten” gibt: den Verstand, das Geistige, die Seele als das Eine und die physische, objektive Welt als das Andere. Ein Diagramm, das den “Trialismus” veranschaulicht, sah ich zum ersten Mal von Roger Penrose, und sieht so aus:

Aus dieser Sicht ist unsere physische Welt nur eine Teilmenge der mathematischen Welt. Der Mechanismus im Gehirn, der das Bewusstsein erzeugt, ist eine Teilmenge der physischen Welt, verrichtet aber das Bewusstsein in der platonischen Welt. Ein Diagramm, das dem Informationsrealismus besser entspricht, sieht so aus:

Für diejenigen, die ihn kennen, sieht das in der Tat nach Panpsychismus aus und ist bisher ebenso händeringend vage. Um zu sehen, wie und warum eine bestimmte Teilmenge einer mathematischen Struktur, d.h. ein bestimmter Satz von “Informationen”, mit einem Bewusstseinszustand identisch wäre, ist eine konkretere Formulierung erforderlich. Dafür sorgt die “Integrierte Informationstheorie” von Giulio Tononi. Wo im ersten Diagramm die “Mathematische Universumshypothese” als Pfeil von Mathematik zu Physik zu sehen war, ist die IIT der Pfeil von der Physik zum Geist. (Es sei angemerkt, dass der Erfinder der IIT diese als “physikalische” Theory ansieht und offenbar nicht an “Informationsrealismus” glaubt, schliessen sich diese beiden Konzepte nicht wirklich aus.) Es führt leider kein Weg daran vorbei, die Arbeiten auf seiner Website sorgfältig zu lesen, um die Idee begreifen zu können: integratedinformationtheory.org
Im Anschluss an diesen Artikel habe ich eine Übersetzung einer Beschreibung vom Erfinder der Theorie durchgeführt. Hier erstmal nur ganz kurz, in wenigen Worten zusammengefasst:
Der IIT zufolge hat das Gehirn ein Maximum an “Komplexität” oder “inhärenter Information”, die über die einzelnen Teile hinausgeht, auf einer bestimmten räumlichen und zeitlichen Auflösung. Dies definiert die Dauer und zeitliche Struktur bestimmter Gedanken und “Qualia”. Der Hauptunterschied zu anderen Theorien über das Bewusstsein besteht darin, dass es genaue Vorhersagen machen kann, wenn auch nicht auf dem aktuellen technologischen Niveau. Eine spezifische externe Veränderung oder Erweiterung eines Gehirns könnte berechnet werden, um einem komplexen, neuen Wahrnehmungserlebnis in der Testperson zu entsprechen, über welches die Testperson berichten kann. Ein System kann die gleiche Input-Output-Funktion mit unterschiedlichem internen Layout ausführen. Die interne Konfiguration kann so sein, dass sie eine hohe interne Verflechtung aufweist oder überhaupt keine. Es ist diese innere Zusammenwirkung, die definiert, wie das System “mehr als die Summe seiner Teile” ist und identisch ist mit der subjektiven “Wahrnehmung” des Systems – seinem Bewusstseinszustand. Der Unterschied löst auch das Rätsel vom “Chinesischen Zimmer”: Ein simuliertes bewusstes Wesen ist nicht unbedingt tatsächlich bewusst. Dies wird durch die folgende Grafik aus Tononis Veröffentlichung von 2014 veranschaulicht:

Zurück zum Teleporter-Experiment. Was sagt der “Informationsrealismus” voraus? Wie kann es dazu beitragen, das Paradoxon zu lösen?
Die Antwort ist, dass beide Klone sind, und das Subjekt, das teleportiert wurde, hat aufgehört zu existieren. Beide sind sehr nahe am Original, aber nicht identisch mit dem Original. Darauf aufbauend folgt die erstaunliche Erkenntnis, dass das Gleiche ohne Teleportation gilt. Die ganze Zeit, jeden Tag, nach jedem Gedanken, der verging, hören “Sie” auf zu existieren. Ein Klon von Ihnen wird wahrscheinlich folgen, aber das sind nicht Sie. Die Version von Ihnen, die in wenigen Augenblicken von jetzt an existieren kann, unterscheidet sich von Ihrem bewussten Selbst ebenso wie jeder andere fast perfekte Klon. Es ist objektiv, ein externes Objekt für Sie und hat keine Überschneidung mit dem, was Sie gerade sind – subjektiv, bewusst. Diese Schlussfolgerung erscheint mir unausweichlich, dies ist die einzige Interpretation des Teleporter-Gedankenexperiments, die konsistent ist. Bitte lassen Sie es mich wissen, wenn mir hier etwas entgangen ist. Ansonsten gibt es nicht viel mehr zu sagen, was man aus dieser Erkenntnis macht, ist etwas, das jeder für sich selbst beantworten muss.